Leserbrief: Leserbrief unseres Mitglieds Birgit Hertlein
Freigericht, eine Gemeinde, 5 Ortsteile, eingebettet in grüner Natur. Umgeben von Feldern, Wiesen und Wäldern. Ein Idyll, das wir lieben und …
WeiterlesenStrom aus Wind- und Solarquellen kann die bestehende Grundlast – und damit den zu jeder Zeit bestehenden Strombedarf – nicht decken. Die Versorgungssicherheit ist bei gänzlicher Umstellung auf erneuerbare Energien nicht mehr gegeben.
Die Behauptung (siehe Überschrift) selbst ist korrekt, die damit implizierte Bedeutung (obiger Absatz) hingegen nicht. Die Bedeutung der Grundlast für die Versorgungssicherheit wird in dieser Argumentation falsch bewertet, die Risiken von Ausfallszenarien bei Wind- und Solarenergie (Dunkelflaute) hingegen sowohl hinsichtlich ihres Auftretens als auch ihrer Auswirkung überbewertet.
Hinsichtlich der Versorgungssicherheit existieren reale Probleme, die sich nicht leugnen lassen. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist hierfür jedoch nicht direkt ursächlich, sondern Teil des Lösungsansatzes in Form der Umgestaltung des Stromnetzes hin zu mehr Flexibilität.
Die Behauptung ist erst einmal grundsätzlich korrekt: Die Umstellung von konventionellen Kraftwerken auf erneuerbare Quellen geht mit einer Verminderung der Grundlast einher: Ohne Wind keine Windkraft, ohne Sonne keine Solarenergie – bei entsprechend gleichzeitigen Ausfällen (Dunkelflauten) können Windkraft- und Solaranlagen nicht ausreichend Energie liefern, um den bestehenden Strombedarf zu decken. Entstehende Versorgungslücken müssen über den Regelbetrieb ausgeglichen oder – ggf. teuer – am europäischen Strommarkt eingekauft werden. Entscheidend ist aber die Frage, was dies genau bedeutet und welche Risiken für die Netzstabilität sich hieraus ergeben. Hierzu muss eine Reihe weiterer Sachverhalte geprüft werden. Es stellen sich folgende Fragen:
Die Frage, ob die aktuelle Grundlast sich mit erneuerbaren Energien decken ließe, ist irreführend. Die Grundlast spielt für die Versorgungssicherheit nur eine sehr untergeordnete Rolle. Wesentlicher sind die Regulierbarkeit der beteiligten Kraftwerkstypen und die Flexibilität des Stromnetzes, welche in der dritten Fragestellung nochmal separat betrachtet werden.
Der Begriff Grundlast bezeichnet die Belastung eines Stromnetzes, die während eines Tages nicht unterschritten wird. [1] Also die Menge an elektrischer Energie, die täglich mindestens erzeugt (Angebot) und abgenommen (Nachfrage) wird. Die wechselseitige Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage ist am Strommarkt aus technischen Gründen besonders groß: Nicht nur eine Unter- sondern auch eine Überversorgung gefährden die Netzstabilität, die Produktion muss daher möglichst exakt auf die Nachfrage abgestimmt erfolgen. Dies erfolgt über mehrstufige Regelreserven mit unterschiedlichen Reaktionszeiten. Einmal erzeugte elektrische Energie kann nicht einfach „weggeworfen“ werden, sondern benötigt zwingend einen Abnehmer – bei fehlender Nachfrage und unzureichenden Speichern im Inland erfolgt dies zu ggf. wesentlich niedrigeren (unter Umständen sogar negativen) Preisen im Ausland. Reichen die Steuermechanismen der Regelreserven und des Strommarkts nicht aus, ist die Konsequenz bei fehlender Nachfrage die gleiche wie bei fehlendem Angebot: Netzwerkausfall.
Die Grundlastfähigkeit eines Kraftwerks ist daher kein grundlegender Vorteil, sondern kehrt ggf. lediglich die Problemstellung um: Während nichtgrundlastfähige Energieerzeuger wie Wind und Solar, vorrangig das Risiko einer Unterversorgung tragen, droht vor allem seitens konventioneller, grundlastfähiger Kraftwerke das Risiko einer Überversorgung. Kohle- und vielmehr noch Atomkraftwerke sind kurzfristig schlecht regelbar [2] [3], ihre Produktion kann also bei fallender Nachfrage schlecht gedrosselt werden. Gasturbinen-, Pumpspeicher- und Laufwasserkraftwerke zeichnen sich durch sehr gute Regelbarkeit aus, weshalb sie zur kurzfristigen Bedienung der Spitzenlast vorgehalten werden [3]. Auch Biomassekraftwerke weisen eine gute Flexibilität aus [4]. Photovoltaik- und Windkraftanlagen nehmen in dieser Fragestellung eine Sonderrolle ein, da sie über eine sehr gute negative Lastenregelung verfügen [5] [6], sich bei einer Überversorgung also leicht runter regeln lassen.
Grundlastfähige Pumpspeicher- und Laufwasserkraftwerke sowie Biomassekraftwerke sind zwar allesamt gut regelbar, bergen aber andere Probleme, die ihren Ausbau begrenzen. So weisen Biomassekraftwerke und Pumpspeicherkraftwerke einen enormen Flächenverbrauch auf, zugleich ist das Potential für Wasserkraft in Deutschland generell überschaubar und bereits nahezu ausgereizt.
Die Höhe der erforderlichen Grundlast und damit ihre Rolle für die Versorgungssicherheit hängen unter anderem ab von der Beschaffenheit des Stromnetzes sowie den verfügbaren Regelreserven und Speichern. Die eigentliche Herausforderung für die Versorgungssicherheit ist daher nicht die Bereitstellung einer möglichst hohen, starren Grundlast im Stromnetz, sondern – im Gegenteil – den Grundlast-Anteil zugunsten eines größeren, flexibleren Mittel- und Spitzenlast-Anteils zu verringern. Diese wird in der dritten Fragestellung nochmal konkreter beleuchtet. [7]
Dies stellte auch das Büro für Technikfolgen-Abschätzungen (TAB) des Bundestags schon bereits bei einer Untersuchung im Jahr 2012 fest [8]:
„Der starre Begriff der Grundlast, der aus den Zeiten vor der Liberalisierung des Stromsektors stammt, wird durch die notwendige Flexibilisierung des Kraftwerksparks zunehmend aufgehoben. Der Markt für sogenannte Grundlastkraftwerke mit hoher Auslastung wird durch den Ausbau erneuerbarer Energien deutlich geringer – im Szenario sinkt er bis 2030 auf nur 6 GW. Eine Gegenüberstellung mit der derzeit installierten Bruttoleistung klassischer als Grundlastkraftwerke bezeichneter Braunkohle- und Kernenergiekraftwerke von ca. 29 GW (Bundesnetzagentur 2011) verdeutlicht die Entwicklung.“
((ITAS), 2012)
Wind- und Solarenergie ergänzen sich, wodurch ein Ausgleichseffekt eintritt. (Viel Sonne und wenig Wind im Sommer und umgekehrt im Winter.) Problematisch sind daher vor allem so genannte Dunkelflauten, bei denen weder die Sonne scheint, noch der Wind weht.
Generell sind Dunkelflauten ein zeitlich und vor allem örtlich begrenztes Problem. Ihr Risiko hängt daher vom Grad des Ausbaus beider Energieformen auf einer möglichst großen Fläche ab. Während lokale Dunkelflauten gerade im Winter möglich und wahrscheinlich sind, reduziert sich deren Risiko erheblich, je mehr Windkraft- und Solaranlagen über möglichst große Flächen verteilt gebaut werden. Bereits bei deutschlandweitem Ausbau ist dieses Risiko bereits sehr gering, bei europaweiter Betrachtung um das zehnfache geringer.
Entscheidend hierbei ist, dass beide Energieformen möglichst flächendeckend ausgebaut werden und sich einzelne Regionen und Kommunen von dieser Aufgabe nicht ausnehmen. Der in 2021 vorhandene Ausbaugrad beider Energieträger in Deutschland ist sowohl hinsichtlich ihrer Nennleistung als auch bezogen auf erforderliche Ausgleichseffekte noch viel zu gering.
Der Deutsche Wetterdienst zeigt in einer Pressemitteilung von März 2018 [9] auf, dass die entsprechenden Ausfallereignisse sich schon bei deutschlandweitem Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen etwa um den Faktor 11 gegenüber reiner Inland-Windkraftnutzung von durchschnittlich 23 x 48h Flauten pro Jahr auf 2 x 48h Dunkelflauten pro Jahr reduzieren lassen. Bei Europaweiter Betrachtung reduziert sich dieses Risiko abermals um den Faktor 10 auf 0,2 x 48h Dunkelflaute pro Jahr.
Eine Studie über die Ausgleichswirkungen von Juni 2019 [10] löst diesen Sachverhalt nochmal detaillierter auf. Sie zeigt für einen Zeitraum von 25 Jahren (wobei nur für 21 Jahre ausreichend Daten vorliegen) weniger als 5 Ereignisse von mindestens 48 Stunden Dauer für Deutschland bzw. weniger als 1 solches Ereignis für Europa. Dabei wurde ein Kapazitätsfaktor von 10% angenommen, d.h. es wurden Ausfallereignisse betrachtet, bei denen die Leistung der betreffenden Windkraft- und Solaranlagen nur noch maximal 10% ihrer Nennleistung betragen hätten.
Ausgehend von einem Kapazitätsfaktor von 15% (d.h. die Kraftwerke erbrächten max. 15% ihrer Nennleistung) verdoppelt sich die Anzahl der Ereignisse auf etwa 10 x 48h in 21 Jahren für Deutschland bzw. 1-2 entsprechende Ausfallereignisse für Europa im gleichen Zeitraum.
Die Versorgungssicherheit kann langfristig auch im Hinblick auf eine komplett erneuerbare Energieversorgung erhalten und sogar verbessert werden. Die Energiewende erfordert hierfür allerdings einen massiven Ausbau des Stromnetzes, erneuerbarer Quellen und ausreichend Speicher. Dies wurde in den vergangenen Jahren leider versäumt. Die Versorgungssicherheit hängt daher davon ab, dass Netz- und Speicherausbau massiv angezogen werden ohne dabei den Ausbau der erneuerbaren Energien selbst zu bremsen.
Die Energiewende hin zu erneuerbaren Energieträgern erfordert und ermöglicht gleichermaßen den Aus- und Umbau der betreffenden Stromnetze hin zu einer flexibleren und dezentralen Form. Windkraft- und Solaranlagen können – wie in der vorherigen Fragestellung gezeigt – für eine kontinuierliche und zumindest negativ regelbare Bedarfsdeckung sorgen. Darüber hinaus braucht es aber eine Reihe technischer Maßnahmen zur positiven Lastenregelung [1]:
Diese Aufgabenstellung wurde allerdings in zahlreichen Jahrzehnten aufgrund verfügbarer, grundlastfähiger Energiequellen verschleppt. Beim aktuellen unzureichenden Netzausbau verschärft die Abschaltung konventioneller Kraftwerke zugunsten des Ausbaus erneuerbarer Energien die Problemstellung, was aber kein Grund sein sollte diesen zu drosseln, sondern stattdessen den Netzausbau massiv zu beschleunigen. [7]
Quellen:
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